Der Kannenfeldpark
Neue Friedhöfe weit vor der Stadt
Obwohl man in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunder versuchte, die steigende Anzahl der Bestattungen mit dem Anlegen neuer Gottesäcker am Stadtrand zu bewältigen, genügte dies bald nicht mehr. Kaum ein Jahrzehnt verging, ohne dass irgendwo Erweiterungen vorgenommen werden mussten. Begräbnisstätten, wie etwa der Spalengottesacker, erwiesen sich als ständige Provisorien. Deren Überbelegung jedem Besucher unangenehm auffiel.
In den 1860er Jahren beschloss, man den teils würdelosen Zuständen ein Ende zu machen. Mit grossen Friedhöfen vor der Stadt sollten dauerhaft bessere Bedingungen geschaffen werden. Mit den Projekten zu den neuen Gottesäckern, Wolf und Kannenfeld, ging man das Problem an. Auf der Suche nach geeigneten Grundstücken, fand sich eine Weide, auf der einst der Gastwirt „Zur Kanne“ in der Spalenvorstadt seine Enten in Freilandhaltung hielt.
Noch heute erinnert die nahe Entenweidstrasse an diese Nutzung des Grundstücks, welches man als „Kannenfeld“ kannte. Hier sollte ein 1862 projektierter neuer Gottesacker entstehen. Bauinspektor Amadeus Merian (1808-1889) plante ihn als monumentale Nekropole mit eigener Kirche und Arkadenhalbkreis. Die kühne Vision wurde aber auf den Boden baslerischer Realitäten zurückgeholt, und musste als reduzierte Ausführung ohne Hochbauten umgesetzt werden.
Kritik von beiden Konfessionen
Vorgesehen waren ein Budget von 350’000 Franken und eine Aufnahmekapazität von 723 Beisetzungen jährlich. In den Jahren 1867 bis 1868 wurde auf dem Kannenfeld auf einer Fläche von 25 Jucharten der gleichnamige Gottesacker angelegt. Sogleich schlug dem neuen Friedhof Kritik entgegen. In katholischen Kreisen pflegte man den alten Brauch, den Sarg verstorbener Gemeindemitglieder auf Schultern an das Grab auf dem Friedhof zu tragen.
Mit einem weitab liegenden Bestattungsplatz brauchte man sehr belastbare Schultern, oder die Trauergemeinde musste sich unterwegs zu Ruhepausen am Wegrand niederlassen. Die Würde des Anlasses war mit solchen Unterbrüchen in Gefahr. Von reformierter Seite kam ein anderer Einwand. Der lange Landweg zum Friedhof böte für einen prachtvollen Trauerzug mit bekränztem Leichenwagen und vielen Trauergästen nicht die gewünschte Kulisse.
Geschätzt wurde es, derart durch die Gassen zu ziehen, um zu zeigen, wer noch im Tode zu grossartiger Prachtentfaltung fähig war. Feldhasen und Igel waren keine ideale Zielgruppe für diese Darbietung. Der neue Friedhof kam dennoch. Einige seiner Partien hatten parkähnlichen Charakter. Die Reihengräber für die weniger Anspruchsvollen, oder jener die sich keinen ausgesuchten Ruheplatz leisten konnten, lagen im grossen monotonen Mittelfeld.
Dort konnte man sich allenfalls mit einem aufwändigen Grabstein hervortun. Im Randbereich hingegen, entlang der Friedhofsmauer, lagen an gekurvten Wegen unter lauschigen Bäumen, die Familiengräber. Einige davon waren richtige Baudenkmäler, wie etwa das Grabmal des Architekten Johann Jakob Stehlin-Burckhardt (1826-1894) und seiner Familie. Das Monument mit dem trauernden Engel steht heute auf dem Wolfgottesacker.
Einweihung des neuen Gottesackers
Eine Sehenswürdigkeit bildet das Friedhofsportal mit seinen vier Standbildern der biblischen Propheten Moses, Daniel, Johannes und Paulus. Während die ersten beiden Skulpturen von Heinrich Ruf gestaltet wurden, stammten die anderen von Rudolf Heinrich Meili (1827-1882). Portal und Statuen waren von Ernst Stückelberg (1831-1903) entworfen worden. Durch dieses Eingangstor kam am 3. Juni 1868 der Zug amtlicher und geistlicher Würdenträger.
Sie traten unter Posaunen- und Chorbegleitung zur feierlichen Einweihung auf den Friedhof. Zuvor war man, in Begleitung von zahlreichem Publikum, vom alten Spalen-Gottesacker zum neuen Begräbnisplatz gezogen. Um festzuhalten dass es auch im Tode noch feine Unterschiede gab, verkündete Pfarrer Johann Jakob Miville (1812-1897), dass auf diesem Friedhof keine anderen Toten begraben werden mögten, als jene die in Wahrheit in Gott ruhen.
Der erste Verstorbene der hier beigesetzt wurde, war der Maler Johann Jakob Neustück (1799-1867). Er hinterliess zahlreiche malerische Basler Stadtansichten, und galt zu Lebzeiten als exzentrische Künstlernatur. Es gab Stimmen die den verstorbenen Maler ob seines Schicksals bemitleideten, vorab ganz alleine auf dem leeren und unvollendeten Gottesacker die Nächte verbringen zu müssen. Er sollte nach der offiziellen Eröffnung bald Gesellschaft bekommen.
Grosses Mitgefühl kam den Opfern des Deutsch-französischen Krieges 1870/71 zu. 1871 wurden auf dem Kannenfeld die in Basel an Erschöpfung und Krankheiten verstorbenen Soldaten der in der Schweiz internierten französischen Ostarmee von General Charles Denis Bourbaki (1816-1897) bestattete. Die Grabsteine ihrer Einzelgräber seien mit kleinen Kanonenkugeln geschmückt gewesen. Unweit des Nordosteinganges erhielten sie später ein Monument.
Auf diesem Denkmal stehen heute auch die Namen der bis 1945 gefallenen und vermissten Soldaten der französischen Gemeinschaft Basels. Nach einigen Jahrzehnten wurde der Raum knapp, weswegen man 1912 den Gottesacker erweiterte. Schliesslich folgte im Jahr 1932 die Einweihung des Zentralfriedhofs am Hörnli, der mit seinen gewaltigen Kapazitäten für fast alle anderen Gottesäcker Basels Schliessung und Aufhebung mit sich brachte.
Vom Friedhof zum Park
Das Kannenfeld sollte nun zum Park umgestaltet werden. Als erstes wurden die Weiher an den Ecken des Friedhofes zugeschüttet – in einem von ihnen war ein Kind ertrunken. Es war indes heikel, über die Ruhestätte von 46’000 Toten hinweg einen Park anzulegen. Zu viele Leute hatten noch auf dem Kannenfeld ruhende Angehörige. Die lieblose Entsorgung von Tausenden von Grabsteinen bei der Räumung 1952 sorgte für zornige Leserbriefe.
Viele Leute hatten auch nicht die Mittel für eine Umbettung der Verstorbenen oder die Räumung von Gräbern. So liess der Kanton 43 Lastwagenladungen Grabmäler im Rheinhafen verbauen. 30 Lastwagen gelangten ins Wiesenbord in der Langen Erlen, und die gesprengten Überreste von tausend Familiengräbern nutzte man für den neuen Parkplatz am St.Jakobstadion, als Teil des Tragbetts. Hinterbliebenen war diese Vorgehensweise sehr schmerzlich.
Die Umgestaltung des Friedhofs liess noch viele Fragen offen. Im Raum stand etwa die Idee eines „Volksparks“. Dort waren Spielplätze sowie Materiallager für Tiefbauamt und Stadtgärtnerei vorgesehen. Daneben sollte ein Schwimmbad mit Wirtschaftsgarten und einem Parkplatz entstehen. Nichts davon wurde umgesetzt. Der einstige Friedhof ist heute eine allgemein geschätzte Parkanlage geworden, die für seine botanische Vielfalt bekannt ist.
Neben dem französischen Ehrenmal und dem Portal ist kaum etwas geblieben, was an den Friedhof erinnert. Ein Monument, dessen Ursprung lange unklar war, überlebte. Ein im ägyptischen Stil gehaltenes Grabmal überdauerte bei einem Sandkasten als „Pfludder-Tempelchen“. Eine Zeitungsumfrage 1982 ergab, dass zum Andenken an Johann Jakob Merian (1826-1892) errichtet wurde, Professor für klassische Philologie an der Universität Basel.
Zusammenfassung
Der gestiegene Bedarf an Bestattungsplätzen machte im 19. Jahrhundert das Anlegen neuer Friedhöfe ausserhalb des Stadtkerns notwendig. Auf dem Kannenfeld, das einst dem Gastwirt zur Kanne im der Spalenvorstadt gehörte, wurde daher 1867/68 ein Gottesacker angelegt, dessen Kapazitäten für 700 jährliche Bestattungen ausreichen sollten. Der von Bauinspektor Amadeus Merian geplante Friedhof, wurde im Juni 1868 feierlich eingeweiht.
Der Gottesacker Kannenfeld wurde bis zur Eröffnung des Zentralfriedhofs am Hörnli 1932 genutzt. Hier fanden 1871 unter anderem die in Basel verstorbenen Internierten der französischen Ostarmee von General Bourbaki ihre letzte Ruhe. Das französische Ehrenmal im Park zeugt bis heute davon. Erwähnenswert ist auch das von Ernst Stückelberg gestaltete Portal mit vier biblischen Propheten. Es bildet heute den Haupteingang zum Kannenfeldpark.
Bei seiner Eröffnung gab der ungewohnt weite Weg zum Gottesacker Anlass zu Kritik, da er die Tradition der Trauerumzüge gefährdete. Als man 1951 zur Aufhebung des Friedhofs schritt, galt die Kontroverse wiederum dem Umgang mit den Gräbern und den Grabsteinen, die zuweilen unsensibel weiterverwertet wurden. Unter diversen Plänen zum Umgang mit dem Areal setzte das Konzept der Grünanalage durch, als die sich der Park heute präsentiert.
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Telebasel Summer: Kannenfeldpark
04.08.2015
Quelle:
Gottesacker Kannenfeld /
Kannenfeldpark @ by altbasel.ch /
roger jean rebmann